Marathon Puebla 2014 (Teilnehmerbericht)
Am 30. November 2014 fand der 5. Internationale Marathon im mexikanischen Puebla statt – so jedenfalls nach der offizieller Zeitrechnung des aktuellen Gouverneurs dieses mexikanischen Bundesstaates, die anscheinend erst mit seinem Amtsantritt beginnt. Denn auch in den Jahren zuvor hat es durchaus Marathonläufe mit internationaler Beteiligung gegeben. An dem von der poblanischen Landesregierung ausgerufenen Volkslauftag bzw. dem „Tag der physischen Betätigung“ standen folgende Distanzen zur Wahl: 5 km, 10 km, Halbmarathon und Marathon.
Eine Neuerung des amtierenden Gouverneurs Rafael Moreno Valle Rosas ist, dass er in seiner Regierungszeit Start und Ziel des Marathons vom „Zócalo“ Pueblas zum „Parque del Arte“ verlegt hat, also vom historischen Stadtzentrum weg und hin in die Nähe des wichtigsten Einkaufszentrums der Stadt „Angelópolis“, in dessen Nähe sich auch das unter Moreno Valle entstandene CIS, ein staatliches Dienstleistungszentrum, befindet. Genau an diesem Dienstleistungscenter war dann auch das Ziel für die Halbmarathonläufer. Marathon- und Halbmarathonläufer liefen zunächst gemeinsam nach Cholula, was ca. 10 Kilometer vom Startpunkt entfernt liegt. Danach ging es fast den gleichen Weg wieder zurück, am Ausgangspunkt „Park der Kunst“ vorbei zur neuen Prachtavenue „Atlixcáyotl“, an der das CIS liegt und wo sich die Ziellinie für die Halbmarathonläufer befand.
Für die vorsätzlichen Ganz-Marathonläufer begann nun der schwierigste Teil des Laufes: Puebla ist nämlich – man möchte fast sagen, wie das alte Rom – auf mehreren Hügeln erbaut. Jetzt liefen wir steil aufwärts zum „Cerro de La Paz“; kaum fast oben angelangt, ging es wieder steil abwärts und dann noch einmal in einer etwas länger gezogenen Schleife hinauf. Über die „Juárez-Allee“ liefen wir dann weiter in Richtung historisches Stadtzentrum; über den Zócalo hinweg und dann rauf zum „Parque Ecológico“. Über die Boulevards „5. Mai“ und „Johannes Paul II.“ ging es dann wieder Richtung Angelópolis. Allerdings wurde auf dem Rückweg die in der Streckenbeschreibung klar verzeichnete Schleife um die Calle 23 aus unerfindlichen Gründen weggelassen und die Läufer wurden direkt über die Angelópolis-Brücken auf die „Atlixcáyotl“ zurückgeleitet.
Konsequenz: Nur 600 Meter nach der Streckenmarkierung km 39 kam schon km 41 ! Der letzte Kilometer bzw. die letzten 1195 Meter scheinen wieder gestimmt zu haben. Aber warum sollte es auch in einem Land, in dem der durchschnittliche Liter Benzin ca. 850 Milliliter misst, für nur 150 Pesos (ca. 9 Euro) einen vollständigen Marathon geben? Mit den Maßeinheiten nimmt man es hier nicht so genau wie im alten Europa. Zur Ehrenrettung der Mexikaner muss man sagen, dass das auch für viele andere (z.B. lateinamerikanische oder asiatische) Länder gilt.
Und überhaupt: Im offiziellen Bulletin der Olympischen Spiele von 1896 wurde die Laufstrecke von Marathon nach Athen noch mit exakt 40 Kilometern ausgeschrieben. Auch für die folgenden Olympischen Spiele war es dem IOC nicht wichtig, den Marathonlauf an eine bestimmte Distanz zu knüpfen, da die Läufer im direkten Kampf gegeneinander antraten. Die Länge des ersten Olympischen Marathonlaufs 1896 diente zwar als Richtschnur, aber es war den Veranstaltern überlassen, die Distanz den örtlichen Verhältnissen anzupassen. Erst 1921 hat der internationale Verband für Leichtathletik (IAAF) die Distanz von 42,195 Kilometer als offizielle Streckenlänge für einen Marathonlauf festgelegt.
Zwei Wochen nach dem Lauf in Puebla bin ich die Marathonstrecke noch mal mit dem Rad abgefahren und habe sie selbst nachgemessen. Die Kilometermarkierungen stimmten eigentlich ziemlich genau; es fehlte wahrscheinlich exakt die ursprünglich vorgesehene Schleife um die Calle 23 herum und die wirkliche Streckenlänge dürfte dann also zwischen 40,5 und 40,8 km gelegen haben. Statt meiner 3:52:30 Stunden (offizielle Zeit) wäre bei mir bei kompletter Strecke also eine Zeit um die 4 Stunden herum herausgekommen. Das Streckenprofil in Puebla ist sehr hügelig und somit anspruchsvoll. In einer Höhe von durchschnittlich 2200 Metern über dem Meeresspiegel spürt man zudem den geringeren Sauerstoffgehalt der Luft. Die Marathonzeiten dieses Laufes wären somit sicherlich vergleichbar mit den Zeiten bei einem nach aktuellem Standard kompletten Lauf im Flachland – z.B. in Berlin oder Hamburg – bei ähnlicher Tagesform. Und der Halbmarathon war sogar 500 Meter länger als die vorgeschriebene Distanz.
Trotz der kürzeren Strecke war es mein langsamster Marathon überhaupt. Trotzdem bin ich glücklich, ihn geschafft zu haben. Aufgrund einer Knie-Bänder-Verletzung konnte ich zweieinhalb Jahre lang nur sehr wenig laufen. Mein linkes Knie ist immer noch nicht 100-prozentig in Ordnung, aber sein Zustand hat sich deutlich verbessert, so dass ich mich quasi im letzten Moment entschlossen habe, den Lauf zu riskieren. Ich habe diesmal vergleichsweise wenig trainiert und viele Trainingseinheiten ersatzweise auf dem Rad abgeleistet, da Radfahren für mein Knie schonender ist. Insofern bin ich sehr zufrieden mit meinem Ergebnis.
Die poblanische Landesregierung nennt ihr Sportereignis „Maratón Internacional Puebla“. Um wirklich internationalen Standard zu erreichen, muss die um den (internationalen) Tourismus so besorgte Regierung aber noch einiges zulegen, und nicht nur die fehlenden anderthalb Kilometer. Die Versorgung mit Getränken, Bananen und Orangenstücken am Wegesrand hat ganz gut geklappt, sowohl von Seiten der Organisatoren als auch von unabhängigen Helfern. Die Streckenmarkierung (blaue Linie) war kaum zu erkennen, die Kilometermarkierungen waren nur teilweise vorhanden, so als ob die Hälfte der Helfer keine Lust gehabt hätte, ihre Kilometerfähnchen aufzuhängen.
Es wurden zwei Zwischenzeiten genommen: bei km 10 und km 21, danach keine mehr. Der Zeitmessdienst O’CLOCK versuchte bei der Online-Einschreibung diese mit dem obligatorischen „Verkauf“ eines PayPal-Kontos zu verbinden, was viele als sehr ärgerlich empfunden haben. Ich habe diese daraufhin abgebrochen und mich lieber in einem Sportgeschäft Offline eingeschrieben. Gewonnen haben bei den Männern Lemma Mesfine Hailu in 2:14:25 Stunden und bei den Frauen Adriana Medel Ramírez in 2:48:43 Stunden. Wenn ich die Namen sehe und die Fotos betrachte, vermute ich mal, dass es sich bei dem Sieger um einen Äthiopier und bei der Gewinnerin um eine Einheimische handelt, aber wirklich wissen tue ich es nicht. In der Internet-Ergebnisliste von O’CLOCK gibt es keine Hinweise auf die Nationalitäten dieses „internationalen“ Marathons.
Schön wäre auch gewesen, wenn es am Start und Ziel und zumindest ebenfalls bei einer klar ersichtlichen Halbmarathon- Markierung Uhren mit offizieller Zeitnahme gegeben hätte. Aber da heute ja alle mit ihrem Smartphone oder sonstigem elektronischen Zubehör laufen, war das sicherlich nicht notwendig. Vielleicht dachten die Organisatoren so.
Gut fand ich, dass es im Zielbereich zahlreiche Physiotherapeutinnen/-therapeuten gab, die sich den müden Läuferbeinen widmeten. Die Werbung im Vorfeld des Marathons war sehr dürftig. Die poblanischen Organisatoren wissen anscheinend nicht, dass Marathonläufer meistens monatelang vorher oder manchmal sogar jahrelang zuvor planen, wo sie im nächsten Jahr (in den nächsten Jahren) laufen werden. Die Funktionäre in den poblanischen Ministerien scheinen hingegen zu glauben, dass man für einen internationalen Marathon erst wenige Wochen zuvor zu trainieren beginnt.
Wenn man wirklich – abgesehen von den gesetzten ausländischen Läufern mit Siegeschancen – internationalen Läufertourismus anlocken will, dann muss man noch einiges ändern. Sonst bleibt der Puebla-Marathon das, was er in Wirklichkeit und entgegen aller offiziellen Propaganda auch 2014 war: Ein regionales Sportereignis, das den eigenen Landsleuten die Chance gibt, sich ganz spontan und noch in letzter Minute zu einem sehr günstigen Preis zu einem Marathon in einer Millionenstadt anzumelden. Das kann man in Boston, Tokio oder New York nicht. Auch deshalb ist Puebla mir sympathisch. Ein bisschen jedenfalls. Trotz allem.
Guten Lauf wünscht Ihnen El Corredor Teutón-Poblano (der deutsch-poblanische Marathonläufer)
Link: http://www.maratondepuebla.com
P.S.: Auch frühere Marathonläufe in Puebla verliefen recht unkonventionell: Im Jahre 2009 nutzte (bzw. missbrauchte) die „Antorcha Campesina“ (die Fackel des Landvolkes) das von der Landesregierung organisierte Sportereignis, um gegen diese zu protestieren. Der Start- und Zielbereich lag damals auf dem Zócalo, genau vor dem Rathaus. Tausende in Bussen aus der Ferne herangekarrte Campesinos marschierten mit roten Fahnen zum Zócalo, besetzten den Zielbereich und pfiffen, begleitet von Schmährufen, den damaligen Gouverneur Mario Marín Torres bzw. den ehemaligen Bürgermeister aus.
Zwar fuhr in sicherer Distanz Polizei mit Helmen, Schlagstöcken und Schutzschildern auf, aber die Landesregierung gab schließlich klein bei und opferte den ordnungsgemäßen Zieleinlauf einem halbwegs friedlichen Ende des Großereignisses. Als wir Marathonläufer (vom Ordnungs- und Sicherheitspersonal umgeleitet) am Zócalo ankamen, marschierten gerade Schülerbands und andere vom Landvolk mitgebrachte Musikgruppen über die Ziellinie und machten somit eine Zeitnahme auf dem dafür vorgesehenen Teppich unmöglich. Die überforderten Organisatoren verteilten Medaillen und Bananen auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes; eine offizielle Endzeit gab es dann aber nicht mehr.
Seinerzeit habe ich mich über den „kaputten“ Marathon von 2009 natürlich sehr geärgert. Als Läufer, der monatelang auf den großen Moment hin trainiert hat, ist man in so einem Augenblick natürlich frustriert, wenn der Tag einem von politischen Querelen verdorben wird. Aus der zeitlichen Distanz möchte ich über die Anekdote von 2009 jetzt fast lachen.
Mexiko ist sicherlich ein von der alltäglichen Gewalt in vielerlei Hinsicht gezeichnetes Land. Das ist leider wahr. Trotzdem sind die (notwendigen?) Sicherheitsvorkehrungen beim Puebla-Marathon im Vergleich zu Sport-Großereignissen in der sogenannten Ersten Welt noch gering. Bisher hat es hier meines Wissens noch keine Bombenanschläge bei Marathonläufen gegeben. Möglicherweise ein Pluspunkt für das Laufen in Mexiko?
Vielleicht harre ich auch deshalb noch in Puebla aus?! Und laufe und laufe...
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Interkultureller Musikvideo- Tipp: Der mexikanische Tod (und das majazzthekische Mädchen)
Das Mädchen: Der Tod:
- Vorüber! Ach vorüber! Gib deine Hand, du schön und zart Gebild!
- Geh wilder Knochenmann! Bin Freund, und komme nicht, zu strafen:
- Ich bin noch jung, geh Lieber! Sei gutes Muts! ich bin nicht wild,
- Und rühre mich nicht an. Sollst sanft in meinen Armen schlafen. Matthias Claudius
- Ich lebe in einem wilden Land. Der Tod - manchmal friedvoll und zart - öfters auch frühzeitig und gewaltsam -
- ist hier alltägliche Realität - wie eigentlich überall auf der Welt. Nur die kulturelle oder auch persönliche Sichtweise variiert.
- Hier eine musikalische Hommage an den Totentag (in Deutschland Allerseelentag) meines Gastlandes und die dortige Wahrnehmung des "sanften Freundes":
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- La Sandunga-Llorona
- (Link Video YouTube)
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Jakob Beckeling
Ich bin dann mal out ...
... Outgesourct nach Santiago
oder
Der Heilige Jakob zu Zeiten der Schweinegrippe
Jetzt zu "Corona" hier auch der Gratisdownload der gesamten Pilgerlegende
Falls Ihnen Legende und Musik gefallen haben sollten, würde ich mich auch über eine kleine freiwillige "Aufwandsentschädigung" freuen (vielleicht 5 bis 10 Euro?), die Sie an mich auf das Konto von Matthias Otto,
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Kostproben Teil 2 und Teil 3: