Erfahrungsbericht:
Die 100 Kilometer von Madrid nach Segovia –
Ein Tag zu Fuß über die Sierra de Guadarrama auf den Spuren der Hirten des Jakobswegs.
(Madrid-Segovia por las Vías Pecuarias del Camino de Santiago)
In der kleinen Jakobsweglegende (Kapitel 4: Legion und Legionäre – siehe weiter unten) fragt sich der Ich-Erzähler in etwa:
Was zum Teufel hat ein von der spanischen Fremdenlegion organisierter Marsch von gut 100 Kilometern durchs heutige Andalusien mit einem mittelalterlichen Pilgerweg in Nordspanien gemein?
Vor einigen Wochen habe ich dann in Zentralspanien das zusammengeführt, was mir vor ein paar Jahren auf den ersten Blick noch recht unterschiedlich erschienen war: Die Verbindung eines sportlich orientierten 100-km-Laufs mit dem Jakobsweg.
Am Samstag, den 17. September 2016, war es endlich soweit: Pünktlich um 5 Uhr morgens stand ich zusammen mit ca. 700 anderen Verrückten am Start einer der bekanntesten „Marcha-Carreras“ Spaniens. Anders als in den Vorjahren hatten die Veranstalter von Seveneight/Ultrafondo diesmal ein Zeitlimit von 21 statt 24 Stunden für die Prüfung festgelegt. Vermutlich wollte man sich damit von anderen 100-km-Läufen in Spanien abheben und die besonders sportliche Note dieser Veranstaltung hervorheben. Dafür nahm man allerdings in Kauf, dass sich die ebenfalls (auf maximal 800 Teilnehmer) reduzierte Zahl der Startplätze nur langsam an den Mann und (gut 10%) auch an die Frau bringen ließ.
Außerdem verlangen die Organisatoren seit einigen Jahren eine „Ergometría“, d.h. einen ärztlichen Leistungstest auf dem Laufband, um der Teilnahme ungeeigneter Kandidaten vorzubeugen und um Gesundheitsrisiken möglichst von vornherein zu minimieren. Der Test und seine Kosten könnten allerdings auch den einen oder anderen geeigneten Interessenten abgeschreckt und so zur schleppenden Vergabe der Startnummern beigetragen haben. Schließlich standen diesmal nur 520 Läufer auf der offiziellen Starterliste, von denen es immerhin 498 im gesetzten Zeitrahmen ins Ziel geschafft haben.
Abgesehen vom ärztlichen Leistungstest wurden vom Veranstalter auch bei anderen Kriterien recht strenge Regeln erlassen, z.B. bezüglich des Marschgepäcks. So war jeder Teilnehmer verpflichtet, in seinem Rucksack eine Alu- Rettungsdecke, eine Trillerpfeife, Stirnlampe, ein Handy, mindestens 10 Euro sowie Wasserflaschen mit Mindestkapazität von insgesamt einem Liter mitzuführen. Die Flaschen sollten an den Versorgungs-stationen immer wieder aufgefüllt werden und zusätzlich wurden die Läufer verpflichtet, einen Trinkbecher mitzuführen, um Einweg-Plastikflaschen und eine Verschmutzung der Landschaft durch diese oder durch irgendwelchen anderen Verpackungsmüll zu vermeiden.
Vor dem Start an der Plaza de Castilla (im Norden von Madrid) wurden die Rucksäcke der Läufer regelrecht gefilzt – jedenfalls die der ersten Hälfte der Teilnehmer. Bei der zweiten Hälfte ging es dann plötzlich ganz schnell, weil sich sonst der Start erheblich verzögert hätte. Plötzlich brauchte man dann nur noch seine Rettungsdecke und Stirnlampe vorzuzeigen.
Der erste Streckenabschnitt führte mit Stirnlampen durch die Dunkelheit zum Madrider Vorort Tres Cantos. Zwar war es noch Nacht, dafür war die Anfangsetappe aber noch relativ flach. Jedenfalls konnte man bei der leichten Steigung noch normal traben. Zwischen Tres Cantos und Colmenar Viejo wurde es dann langsam hell. In Colmenar gab es bei Kilometer 26,7 eine größere Verpflegungsstation im „Polideportivo“ (Sportzentrum) der Gemeinde, wo man auch seine Kleidung wechseln konnte, sofern man einen Tagesrucksack dorthin aufgegeben hatte.
Anschließend ging es größtenteils über Feldwege nach Manzanares el Real, wo wir ungefähr „den ersten Marathon“ hinter uns hatten. Bei Manzanares wird einem ein herrlicher Ausblick auf die Sierra de Guadarrama und die Pedriza zuteil, die als die größte Granitformation Europas gilt. Danach begann der wahre Aufstieg in die Sierra – großartig, aber zunehmend auch anstrengender. Bei der Ankunft in Matealpino hatten wir dann fast die Hälfte der Strecke zurückgelegt, aber noch lange nicht die Hälfte der gesamten Steigung. Auch dort wurde wieder im Polideportivo der Gemeinde Gelegenheit zum rasten und diesmal auch zum warmen essen gegeben.
Dann ging es weiter rauf nach Cercedilla (km 64,4), der Heimatstadt von Blanca und Paquito Fernández Ochoa, die zwischen den 70er und 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die bis auf den heutigen Tag erfolgreichsten spanischen Skiläufer waren und es sogar zu olympischen Medaillen gebracht haben. In Cercedilla konnte man wiederum seine Kleidung wechseln, sofern man darauf Wert legte. Viele Läufer nutzten die Chance, um ihre Shorts in den aufgegebenen Tagesrucksäcken zu verstauen und zogen sich hier lieber lange Hosen an und eine Jacke über, denn bei dem folgenden Aufstieg nach Fuenfría („Kaltenquell“) sollte es merklich frischer werden.
Jetzt begann das steilste Stück des Weges: Ausgehend von ca. 1200 Höhenmetern in Cercedilla mussten wir auf einer Distanz von knapp 15 Kilometern noch mal fast 600 Meter Steigung – vorwiegend durch Kiefernwälder – bewältigen. Auf dem Pass Puerto (Alto) de la Fuenfría (knapp 1800 Meter hoch) hatten wir bei km 79,2 schließlich den Höhepunkt unseres Laufes erreicht. Auf dem Pass steht u.a. eine Gedenktafel für José Antonio Cimadevila Covelo, den Gründer des Freundeskreises der Jakobswege von Madrid nach Santiago. Er hat sich maßgeblich um die Wiederbelebung der Pilgertradition auf diesem zentral-kastilischen Wanderweg verdient gemacht, dessen Trasse schon vor fast 2000 Jahren von den Römern angelegt und genutzt wurde.
Von nun an ging es fast nur noch bergab; und wer wie ich eher gemächlich und auch noch als „Fotoreporter“ unterwegs war, kam schon bald in die Dunkelheit hinein. Gegen Mitternacht habe ich die Stadtgrenze von Segovia erreicht, an der es einen Gedenkstein gibt, auf dem u.a. zu lesen steht: Der Pass von Fuenfría und der Abstieg über die Berge von Valsaín (auf dem Gebiet der Gemeinde und des Weltkulturerbes der königlichen Residenz von San Ildefonso gelegen) stellt eine der schönsten Etappen dar, die ein Pilger überhaupt finden kann – auch angesichts der Unendlichkeit des weiten Netzes der Jakobswege, die ganz Europa durchziehen.
Als ich km 102 und somit das Ziel des Laufes im Stadtzentrum von Segovia erreichte, war es bereits zehn nach zwölf. Ich sah direkt auf den berühmten römischen Aquädukt. Allerdings war die Beleuchtung dieses großartigen Bauwerks der Antike schon abgestellt, sodass es in diesem Moment nicht so fotogen erstrahlte, wie es normalerweise auf allen Postkarten abgelichtet ist. Ich zeigte meinen Läuferausweis mit allen zwölf Kontrollstempeln vor und bekam daraufhin meine Medaille ausgehändigt. Ich lief noch ein Weilchen mit heißen Getränken um den Zielbereich und durch die frische Nacht (das Thermometer zeigte 13 Grad an) und habe mich mit anderen Läufern ausgetauscht. Nachdenklich schaute ich noch mal auf meinen Läuferpass und auf ein dort abgedrucktes Zitat von Albert Schweitzer:
Das einzige Wichtige vom Leben sind die Spuren der Liebe, die wir in dem Moment hinterlassen, in dem wir von allem lassen müssen, ohne noch etwas fragen zu können oder auch nur Lebewohl zu sagen.
Also gräme ich mich nicht mehr meiner eher mäßigen Zeit, über die sich schon mein spanischer Freund und „Mitläufer“ José lustig gemacht hat, der dreieinhalb Stunden vor mir das Ziel erreicht hatte...
Bald darauf begab ich mich wieder einmal ins städtische Polideportivo. Ich hätte Lust gehabt, mich sofort in einem Hotel der Stadt zur Ruhe zu legen und das Stadtzentrum am nächsten Tag nach einem guten Frühstück bei Licht zu begutachten. Aber leider waren alle Hotels ausgebucht. Also habe ich meine aus Colmenar und Cercedilla bereits eingetroffenen Tagesrucksäcke abgeholt, in den Sportanlagen geduscht und das Angebot des Veranstalters wahrgenommen, noch in derselben Nacht mit einem Charterbus zurück nach Madrid zu fahren. Am Sonntagmorgen um vier Uhr traf ich wieder an der Plaza de Castilla ein.
Die ca. 102 km von Madrid nach Segovia sind Teil des sogenannten Camino de Madrid. Wie alle Jakobswege führt auch der Madrider Weg ans Grab des Apostels Jakobus nach Santiago de Compostela. Auf einer Strecke von ca. 350 Kilometern geht es von Madrid aus über Segovia, Valladolid und Medina de Rioseco bis nach Sahagun. Hier trifft der Weg auf den bekannten Camino Francés, von dem noch die letzten gut 340 Kilometer bis nach Santiago zurückgelegt werden müssen. Insgesamt gilt es somit 690 Pilger-Kilometer zu bewältigen, wobei der Camino de Madrid also nur etwas mehr als die Hälfte des Gesamtweges ausmacht.
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Interkultureller Musikvideo- Tipp: Der mexikanische Tod (und das majazzthekische Mädchen)
Das Mädchen: Der Tod:
- Vorüber! Ach vorüber! Gib deine Hand, du schön und zart Gebild!
- Geh wilder Knochenmann! Bin Freund, und komme nicht, zu strafen:
- Ich bin noch jung, geh Lieber! Sei gutes Muts! ich bin nicht wild,
- Und rühre mich nicht an. Sollst sanft in meinen Armen schlafen. Matthias Claudius
- Ich lebe in einem wilden Land. Der Tod - manchmal friedvoll und zart - öfters auch frühzeitig und gewaltsam -
- ist hier alltägliche Realität - wie eigentlich überall auf der Welt. Nur die kulturelle oder auch persönliche Sichtweise variiert.
- Hier eine musikalische Hommage an den Totentag (in Deutschland Allerseelentag) meines Gastlandes und die dortige Wahrnehmung des "sanften Freundes":
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- La Sandunga-Llorona
- (Link Video YouTube)
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Jakob Beckeling
Ich bin dann mal out ...
... Outgesourct nach Santiago
oder
Der Heilige Jakob zu Zeiten der Schweinegrippe
Jetzt zu "Corona" hier auch der Gratisdownload der gesamten Pilgerlegende
Falls Ihnen Legende und Musik gefallen haben sollten, würde ich mich auch über eine kleine freiwillige "Aufwandsentschädigung" freuen (vielleicht 5 bis 10 Euro?), die Sie an mich auf das Konto von Matthias Otto,
Postbank Dortmund, IBAN DE38 4401 0046 0256 3064 68; BIC PBNKDEFF leisten könnten. Stichwort: Pilgerlegende Beckeling
matthiasax@aol.com WhatsApp: 0052-2221-0518-22
Kostproben Teil 2 und Teil 3: